Protestantische Kirche Wilgartswiesen

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Wer auf der Bundesstraße 10 zwischen Landau und Pirmasens unterwegs ist, wird sie nicht übersehen: Mit imposanter Doppelturmfassade grüßt die neuromanische Kirche von Wilgartswiesen ins Queichtal. Im Volksmund wird auch vom „Dom des Queichtals“ gesprochen.

1839 wurde unter dem Architekten August von Voit die Vorgängerkirche abgerissen und der Neubau bis 1843 fertiggestellt. Ein explodierender Holzofen hinterließ 1920 eine völlig ausgebrannte Kirche. Architekt Latteyer aus Ludwigshafen übernahm den Wiederaufbau mit einzelnen Korrekturen am äußeren Erscheinungsbild, das Innere wurde nach damaligem Geschmack in einem stimmungs- und weihevollen Raum umgewandelt. Gründlich verändert wurde der Kirchenraum wieder bei der Renovierung 1961/1962. Die Westempore wurde abgerissen, an der Westseite ein Altarraum geschaffen, der das Schiff um drei Stufen überragt. Die Fresken verschwanden. Von der alten Ausstattung wurden lediglich Holzdecke, Bänke, Altar und Kanzel übernommen. Blickfang im Altarraum ist eine große Christusfigur aus Eichenholz, geschaffen von Margot Stempel-Lebert.

Die klangschöne Oberlinger Orgel mit 16 Registern sitzt in einem modernen Gehäuse aus Lärchenholz. In ihr finden die Holzpfeifenregister der 1921 eingebauten Steinmeyer-Orgel wieder Verwendung. Das große Rosettenfenster in der Ostfassade stammt von Margot Stempel-Lebert. Die Fenster in der Westfassade sind Fragment einer künstlerischen Gesamtkonzeption des Innenraums von Karl-Martin Hartmann, Wiesbaden.
Seit 1985 steht die Kirche unter Denkmalschutz.

Im folgenden Zeitverlauf erfahren Sie durch anklicken der jeweiligen Überschriften Wissenswertes aus der Chronik der Ortsgemeinde Wilgartswiesen (Verfasser: Karl-Heinz Albrecht):

  1. Die Pfarrei Wilgartswiesen in der klösterlichen Zeit
  2. Reformation und nachreformatorische Zeit
  3. Die Pfarrei Wilgartswiesen im 17. und 18. Jahrhundert
  4. Die Pfarrei bis zur pfälzischen Union
  5. Die kirchlichen Verhältnisse in der bayerischen Zeit
  6. Die Kirchengemeinde Wilgartswiesen im beginnenden 20. Jahrhundert – Der große Kirchenbrand
  7. Die Kirchengemeinde Wilgartswiesen nach dem 2. Weltkrieg
  8. Kirchengemeinde und Pfarrei heute – Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts

1 Die Pfarrei Wilgartswiesen in der klösterlichen Zeit

Zur Pfarrei Wilgartswiesen gehören heute die Kirchengemeinden Wilgartswiesen, Spirkelbach und Hauenstein. Der Weiler Her­mersbergerhof, der ebenfalls zum Pfarrbezirk gehört, ist Be­standteil der Kirchengemeinde Wilgartswiesen.

Die Pfarrei Wilgartswiesen zählt zu den ältesten pfälzischen Pfarrbezirken und ist so alt, wie der Sankt Pirmansbezirk selbst. Schon in der Schenkungsurkunde des Jahres 828 wird eine Kirche erwähnt, die wahrscheinlich aus Holz gebaut war und auf dem Kirchberg vermutet wird. Das Schenkungsgebiet war bereits – wenn man der Pirminiuslegende Glauben schenkt – um das Jahr 750 vom Kloster Hornbach aus missioniert worden. Die Erwähnung einer Kirche in fränkischer Zeit mag ein weiterer Hinweis dafür sein, daß das Pirmansland schon früh für den christlichen Glauben gewonnen wurde.

Kirche und Pfarrhaus waren Eigentum des Klosters Hornbach. Der Abt des Klosters bestellte die Geistlichen, die ursprünglich Patres des Klosters waren. Die erste Kirche aus dem 8./9. Jahrhundert wurde wohl in der Zeit des „Hohen Mittelalters“ durch eine kleine romanische Kirche aus Sandstein ersetzt. Auch über sie gibt es keine Aufzeichnungen. Die Baupflicht an Kirche und Pfarrhaus lag beim Abt des Klosters. Für den Turm hatten die Gemeinden, die zur Pfarrei gehörten, zu sorgen.

Nach den Regelungen des Weisthums Wilgartswiesen ernannte ur­sprünglich der Abt die Pfarrer. Als später das Kloster Hornbach dem Bistum Speyer unterstellt wurde, regelte das Speyerer Domkapitel die Stellenbesetzungen. Nach dem Weisthum gehörten zur Kirche ein Pfarrhaus mit Nebengebäude und Ackerland und Wiesen. Dem Pfarrer stand ein Drittel des kleinen Zehnten zu, während zwei Drittel dem Schultheiß gehörten. Beide hatten anteilmäßig für das heilige Öl zu sorgen. Für die sonstige Besoldung des Pfarrers hatte der Abt aufzukommen. Er hatte auch die Meßbücher und die Meßgewänder zu stellen.

Die Kirche selbst war eine Plebanie nebst Frühmesserei. Die im „Hohen Mittelalter“ erbaute romanische Kirche muß überregionale Bedeutung gehabt haben, denn ihre Altäre waren zu Ehren der Heiligen Nikolaus und Katharina errichtet worden. Sie waren das Ziel frommer Pilger. Aus dem Jahre 1418 stammt ein Schrift­stück, nach dem Herzog Stephan von Zweibrücken dem Pfarrer und den Heiligenpflegern zu Wilgartswiesen ein Patent zur Sammlung milder Gaben erteilt. Damit sollten der Altar und die ewige Messe, welche in der Pfarrkirche zu Wilgartswiesen zu Ehren der Heiligen Nikolaus und Katharina errichtet worden waren, mit Kelchen, Meßbüchern, Meßgewändern und Altarschmuck ausgestattet werden. Die Kirche selbst muß im Jahre 1514 entweder durch einen Neubau ersetzt oder zumindest erweitert worden sein. Als diese alte Kirche im Jahre 1839 abgerissen wurde, fand man über der Tür der abgebrochenen Kirche einen Schlußstein mit der Jahreszahl 1514. Sie war zumindest seit dieser Zeit Sankt Gallus geweiht. Daher fand auch am Sankt Gallustag das Kirchweihfest statt. Nach dem Weisthum Wilgartswiesen waren Kirche, Pfarrhaus und Friedhof eine Freistatt für Verfolgte und Verbrecher. Jeder konnte sich an diesen Orten so lange auf­halten, wie er wollte. Für die Untertanen im Sankt Pirmans­bezirk und in der späteren Gemeinschaft Falkenburg war die Pfarrkirche Mittelpunkt religiösen Lebens. Nur hier fanden Gottesdienste statt, und nur hier wurde täglich eine Frühmesse gefeiert. Man kann auch davon ausgehen, daß ursprünglich die Verstorbenen nur auf dem Friedhof in Wilgartswiesen beigesetzt wurden und anschließend in der Pfarrkirche das erste Sterbeamt gehalten wurde.

Über die Geistlichen, die während des Mittelalters in Wilgartswiesen tätig waren, wissen wir nur wenig. Am 13. Dezember 1410 wird im Kirchenbuch der Dürkheimer Pfarr­kirche ein Pfarrer Johann als Inhaber der Plebanie in Wilgartswiesen erwähnt. Erst im ausgehenden 15. Jahrhundert sind dann wieder die Namen verschiedener Pfarrer bekannt. Allerdings stößt dabei eine genaue Datierung auf Schwierig­keiten. So bleibt die Zeit zwischen 1486 und 1518 unklar. Um 1480 wird ein Pfarrer Nikolaus Zink erwähnt, der wahrscheinlich im Jahre 1485 verstarb. Im Jahre 1486 sind gleich zwei Geistliche für die vakante Pfarrstelle vorgesehen, der Priester Nikolaus Hartmann und der Kleriker Wenzel aus Menchwiller. Am 10. März 1486 teilte Dr. jur. can. Ulrich von Helmstat, Domprobst zu Speyer, dem Landdechant zu Rohrbach mit, daß Nikolaus Hartmann auf die Pfründe Verzicht leiste und der Dechant den „vorgemeldeten Wenzel in den körperlichen Besitz der Pfründe einführen solle“. Wahrscheinlich hat auch Wenzel diese Stelle nicht angetreten, denn schon im Jahre 1488 tauscht er eine Stelle mit Johann Molitoris von Meisenheim, der bisher Kaplan am St. Katharinenaltar bei St. German und Moritz in Speyer war. Dies kann man aus einem Schreiben folgern, in dem am 10. März 1486 der Domprobst-Offizial zu Speyer einem Inhaber der Plebanie Wilgartswiesen namens Burkard von Annweiler (auch Burghard bezeichnet) erlaubt, bis auf Widerruf die Erträgnisse der Frühmesse zu Wilgartswiesen zu „sequestrieren“ (d. h. in Beschlag zu nehmen) gegen Besorgung der Stiftsmesse und der Entrichtung einer bestimmten Gebühr. Burkhard verstarb am 20. Februar 1518. Auf die vakante Pfarrstelle, die lange Zeit nur mit einem Verweser besetzt war, kommt im Jahre 1521 Johann Diell (Dielmann) aus Annweiler – allerdings nur für kurze Zeit. Aus seiner Amtszeit ist ein Schreiben vom 5. Juli 1521 erhalten. Aus ihm geht hervor, daß sich Abt Johann von Hornbach und Pfarrer Johann Dielmann dahingehend einigen, daß künftig der Pfarrer zu Wilgartswiesen ein Drittel des (großen) Zehnten bekommen soll und die zwei Drittel des Zehnten, die dem Kloster verbleiben, mit 14 Maltern Korn jährlich abgegolten werden. Von 1522 bis 1527 ist Johann Humolt Pfarrstelleninhaber. Ihm folgt im Jahre 1527 Nikolaus von Klausen. Der letzte Geistliche der alten Pfarrei Wilgartswiesen war Heinrich Leyn aus Kaisers­lautern, der in der Zeit der Reformation noch mindestens bis zum Jahre 1561 katholischer Pfründeninhaber war.

2 Reformation und nachreformatorische Zeit

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in der Pfalz durch die Landesfürsten die Reformation eingeführt. Sie wurden dadurch auch Herren über die entstehenden evangelischen Landeskirchen. Sie bestimmten auch, ob ihre Landeskirche nach Luthers Lehre als lutherische Kirche, oder nach Calvins Lehre als reformierte Kirche eingerichtet werden solle. Diese Trennung innerhalb des evangelischen Lagers war dadurch ent­standen, daß Luther und Calvin in wesentlichen Glaubens­fragen nicht einig werden konnten. Südwestdeutschland blieb wesentlich Einflußgebiet von Calvins Lehre. Die Herzöge von Zweibrücken entschieden sich schon sehr früh für die reformierte Lehre Johann Calvins, während die Grafen von Leiningen der neuen Lehre abwartend gegenüberstanden.

Im Jahre 1523 hatte Herzog Ludwig II. von Zweibrücken den berühmten Theologen Johann Schwebel nach Zweibrücken gerufen, damit er das Evangelium nach der neuen Lehre Calvins predige und die Reformation im Herzogtum einführe. Johann Schwebel, der in der Alexanderkirche in Zweibrücken wirkte, ist es zu ver­danken, daß sich die neue Lehre langsam im gesamten Herzogtum ausbreitete.

Im Kloster Hornbach wurde die Reformation im Jahre 1533 unter Abt Johann von Riedhausen eingeführt. Schon im Jahre 1529 war eine neue Kirchenordnung für alle reformierten Kirchengemeinden im Herzogtum erschienen. Länger dauerte es jedoch, bis die neue Lehre im Amt Falkenburg Eingang fand. Scheinbar hatten die Grafen von Leiningen eine frühere Einführung verzögert. Erst im Jahre 1544 wurde die Reformation in den Dörfern Wilgartswiesen, Rinnthal und Spirkelbach durch Herzog Wolfgang von Zweibrücken eingeführt. Gleichzeitig ging aller Pfarrbesitz, der bis zur Reformation dem Kloster Hornbach gehört hatte und nicht un­beträchtlich war, in das Eigentum des Herrscherhauses Zwei­brücken über.

Der erste namentlich bekannte reformierte Pfarrer war Stefan Arnold, der im Jahre 1577 in sein Amt eingeführt wurde. Noch zu seiner Zeit scheint die reformierte Lehre in der Pflege Falkenburg nicht fest verankert gewesen zu sein, denn in einem Kirchenvisitationsprotokoll vom Jahre 1588 ist festgehalten, daß ein katholischer Geistlicher, der gleichwohl ein Eheweib habe, das ganze Amt Falkenburg mit dem Kirchendienst versieht. Handelte es sich um jenen kath. Pfarrer Heinrich Leyn, dessen Amtszeit mindestens bis zum Jahre 1561 verbürgt ist? Die Amtsleute der Gemeinschaft wurden deshalb ermahnt, daß die Kirchen im Amt Falkenburg christlich reformiert würden und der wahre Gottesdienst gehalten würde.

In einem vorausgegangenen Visitationsprotokoll vom Jahre 1584 ist erwähnt, daß die Gemeinden Rinnthal und Spirkelbach seit der Reformation Filialen der reformierten Pfarrei Wilgarts­wiesen seien. Spirkelbach und Rinnthal hätten jedoch nach wie vor keine eigene Ortskirche. Die Protestanten aus beiden Orten müßten immer noch zu den sonntäglichen Gottesdiensten nach Wilgartswiesen gehen. Die im Jahre 1514 umgebaute oder neu gebaute Kirche in Wilgartswiesen wurde getreu der Anweisungen Calvins und seiner Nachfolger in ein reformiertes Gotteshaus umgewandelt. Hochaltäre, Kruzifixe, Heiligenfiguren und Hei­ligenbilder wurden entfernt. Ein einfacher Altar in Tischform und die Kanzel bildeten den Mittelpunkt der Kirche.

3 Die Pfarrei Wilgartswiesen im 17. und 18. Jahrhundert

Der 30jährige Krieg brachte der Pfarrei Wilgartswiesen und den Protestanten der Gemeinschaft Falkenburg Notzeiten und schwere Bedrückungen. Das Kloster Hornbach war im Jahre 1631 im Zeichen der Gegenreform dem Benediktinerorden zurückgegeben worden. Der Bischof von Speyer schloß daraus, daß auch der Pfarrbesitz in Wilgartswiesen Klostereigentum sei und deshalb zurückgegeben werden müsse. Der Herzog von Zweibrücken willigte aber in eine freiwillige Zurückgabe nicht ein. Dadurch kam es zu erneuten Auseinandersetzungen, unter denen die Protestanten im Falken­burger Amt besonders zu leiden hatten. In der Pfarrkirche in Wilgartswiesen durften bis zum Kriegsende keine evangelischen Gottesdienste stattfinden.

Heinz schreibt in seiner „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges im Fürstentum Zweibrücken“ folgendes: „Der speyerische Amtmann zu Madenburg, Johann Gottfried Faust, entsetzte den reformierten Pfarrer Johann Daniel Wernigk zu Wilgartswiesen seiner Stelle und berief, nachdem er an der Kirche und dem Pfarrhaus das speyerische Wappen angeschlagen hatte, einen katholischen Geistlichen dahin, der aber bald die Erfahrung machen mußte, daß der Glaube in Religionssachen sich nicht erzwingen lasse. Pfarrer Wernigk erhielt inzwischen von seinem Fürsten den Befehl, in seinen Amtshandlungen fortzufahren, aber der Amtskeller Rebstein auf Madenburg konnte keinen Widerspruch ertragen.

Bei finsterer Nacht ging er mit seiner Soldatenwache nach Wilgartswiesen, umstellte das Pfarrhaus, nahm den Pfarrer im Bett gefangen, band ihn mit Stricken und führte ihn, wie auch den Schulmeister, unter vielen Mißhandlungen auf die Madenburg, legte ihn daselbst ins Gefängnis und ließ ihn nicht eher los, bis er sich schriftlich anheischig gemacht hatte, allen ferneren Amtshandlungen im Dorfe zu entsagen“. Erst nach Kriegsende im Jahre 1648 fanden diese Auseinandersetzungen ein Ende. Aber auch die Kriege Ludwigs XIV. brachten für die Pfarrei langen Stillstand und sogar Niedergang.

4 Die Pfarrei bis zur pfälzischen Union

Die Protestanten aus Spirkelbach und Ranschelbach beklagten nach dem 30jährigen Krieg vor dem Oberkonsistorium in Zweibrücken das Fehlen einer eigenen Ortskirche. Zahlreiche Eingaben hatten keinen Erfolg oder wurden durch die Kriege Ludwigs XIV. gegenstandslos. Erst nach diesen Kriegswirren erhielten die Spirkelbacher die Erlaubnis zum Bau einer Dorfkirche. Sie wurde im Jahre 1727 als kleine Hallenkirche erbaut. Da sie so wenig als möglich kosten sollte, sparte die Zweibrücker Kirchenverwaltung nicht nur den Turm ein, sondern es fehlte auch an einer soliden Fundamentierung und Bauaus­führung. Als dann nach wenigen Jahrzehnten die Fundamente nachgaben, war eine Reparatur nicht mehr möglich. Im Jahre 1786 wurde die baufällige Kirche abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Auch die neue Kirche besaß keinen Glockenturm, sondern nur einen Dachreiter. Der Pfarrer in Wilgartswiesen mußte nun alle 14 Tage in der Spirkelbacher Kirche Gottesdienste ab­halten. Die Pfarrei Wilgartswiesen war in dieser Zeit so groß geworden, daß der Pfarrer nur mit Mühe seinen Dienst versehen konnte. Seit dem 30jährigen Krieg gehörte auch Hinterweidenthal zum Pfarrbezirk. Aus diesem Grunde wurde dem Pfarrer im Jahre 1723 ein Adjunkt (=Vikar oder Hilfsgeistlicher) zur Pastori­sierung der Gemeinde Hinterweidenthal beigegeben. Im Jahre 1730 wurde die Kirchengemeinde Hinterweidenthal von der Pfarrei Wilgartswiesen getrennt und zur selbständigen Pfarrei erhoben.

Viele Nöte bereitete damals auch das Pfarrhaus in Wilgarts­wiesen. Es war zu klein, reparaturbedürftig und ungesund. Wie beim Kirchbau in Spirkelbach fand der Pfarrer in Wilgartswiesen mit seiner Forderung, endlich ein neues Pfarrhaus zu bauen, zuerst kein Gehör. Als die Lage für ihn und seine Familie unerträglich wurde, zog Pfarrer Karl Philipp Wernher (1747-1753) kurz entschlossen aus und bewohnte fortan eine Wohnung, die zum Dorfgasthaus gehörte. Erst jetzt stimmte die Kirchen­verwaltung in Zweibrücken einem Neubau zu. Er wurde in den Jahren 1751 und 1752 großzügig errichtet und an Michaelis 1752 von Pfarrer Wernher und seiner Familie bezogen. Das Haus an der Hauptstraße, das heute unter Denkmalschutz steht, diente bis zum Jahre 1957 als Pfarrhaus und bot vielen Pfarrerfamilien Obdach und Schutz.

Im 18. Jahrhundert besaß die Kirchengemeinde Wilgartswiesen eine eigene Kirche, ein neues Pfarrhaus, eine Schule und eine erhebliche Zahl von Pfarrgrundstücken, die teilweise verpachtet waren. Auch Waldungen gehörten zum Besitz der Pfarrei. Eigene Lehrer, die in der Schule unterrichteten, waren als kirchliche Bedienstete angestellt. Sie versahen auch in erheblichem Umfang den Kirchendienst. Dies änderte sich aber im Verlauf der französischen Revolution. Zeitweise waren Kirche und Schule geschlossen. In der napoleonischen Aera wurden in der Pfalz durch ein kaiserliches Dekret die Civilgemeinden Eigentümer der Kirche, der Pfarrhäuser und der bisher kirchlichen Schulen. Dadurch gingen auch in Wilgartswiesen diese Gebäude in das Eigentum der politischen Gemeinde über und blieben bis zum Ende dieser Zeit in ihrem Besitz. Nach der französischen Zeit wurde die Pfalz dem Königreich Bayern zugeschlagen. Die bayerische Regierung des Rheinkreises und die drei Gemeinden Wilgarts­wiesen, Rinnthal und Spirkelbach teilten die Wälder des ehe­maligen Sankt Pirmansbezirkes. Nachdem der „kleine St. Pirman“, der während der Feudalherrschaft dem Kloster Hornbach ver­blieben war, unter diesen Gemeinden aufgeteilt wurde, mußten diese Gemeinden die Baulast an der Kirche und am Pfarrhaus übernehmen.

Im ausgehenden 18. Jahrhundert war dem Pfarrer in Wilgarts­wiesen der Adjunkt Heinrich Cullmann beigegeben. Er stammte aus der großen Pfarrerfamilie Cullmann, die bis in unsere Zeit hinein Generationen von Pfarrern hervorgebracht hat. Cullmann ging von Wilgartswiesen aus als zweiter Pfarrer nach Annweiler. Später war er Pfarrer in Bergzabern, wo er auch zu den Re­formierten im Elsaß Verbindung aufnahm. Cullmann war ein großer Wegbereiter der Union zwischen Reformierten und Lutheranern in der Südpfalz. Als die Union im Jahre 1818 in der Stiftskirche Kaiserslautern vollzogen wurde, dachten nur wenige an diesen Geistlichen, der wenige Tage zuvor in Bergzabern verstorben war.

Dieser pfälzischen Union und der neu gegründeten „Prote­stantisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz“ trat auch die Pfarrei Wilgartswiesen mit den Kirchengemeinden Wilgarts­wiesen, Rinnthal und Spirkelbach und den Parochialorten Hof­stätten, Schwarzbach, Speyerbrunn und Hermersbergerhof bei. Am 28. November 1818 wurde in der Kirche zu Wilgartswiesen das Vereinigungsfest feierlich begangen. Reformierte und Lutheraner, die sich in der Vergangenheit oft feindlich gegen­überstanden, hatten sich versöhnt und einander die Hand gereicht. Die wenigen Katholiken, die damals im Pfarrbezirk lebten, wurden von Hauenstein und vorher von Annweiler aus betreut. Für sie war es nach wie vor nicht leicht, in Gemeinden zu leben, die überwiegend von Protestanten bewohnt waren.

5 Die kirchlichen Verhältnisse in der bayerischen Zeit

Die im August 1818 gegründete Union der pfälzischen Prote­stanten beendete gleichzeitig einen rechtlosen Zustand, der seit der französischen Revolution eingetreten war. Die Landesfürsten, die zuvor Herren über die Landeskirchen ihrer Gebiete waren, waren über den Rhein geflohen. Sie hatten bisher den Glauben ihrer Untertanen bestimmt. Nun hatten sich Reformierte und Lutheraner zu einer Kirche zusammengeschlossen.

Die „Unierte Protestantische Kirche im Pfalzkreis, Königreich Bayern“, wie sie nunmehr hieß, gehörte nominell immer noch dem Landesherren – dem bayerischen König aus dem Hause der Wittelsbacher.

Das katholische Königshaus ließ jedoch seine Rechte durch einen Vertreter der königlichen Regierung der Pfalz, Kammer des Innern, ausüben. Die so gegründete pfälzische Kirche besaß noch keine demokratische Verfassung, also noch keine Landessynode und keine Bezirkssynoden auf Dekanatsebene. Dies sollte erst nach der königlichen Aera geschehen.

An der Spitze der neuen Kirche stand das „königlich protestantische Konsistorium“, das in Speyer seinen Sitz hatte. Ihm gehörte nach einem Schematismus aus dem Jahre 1853 zwei Geistliche – dort Hauptprediger an der protestantischen Stadt­pfarrkiche zu Speyer genannt – und der erwähnte Regierungs­vertreter an. Außerdem gehörte ein Sekretär und Registrator, ein Kanzlist und ein Kanzleidiener und Bote dem kleinen Konsistorium an.

Die neu gegründete Landeskirche wurde in 16 Dekanate ein­geteilt. Das Dekanat Bergzabern, das dem Landkommissariat mit den Kantonen Annweiler und Bergzabern genau entsprach, umfaßte 16 Pfarrgemeinden und 18 Pfarrstellen. In ihm lebten 25000 Protestanten. Die Pfarrei Wilgartswiesen war am weitesten vom Dekanatssitz Bergzabern entfernt. Weite und beschwerliche Wege waren für den Pfarrer von Wilgartswiesen notwendig, wenn er bei seinem Dekan vorsprechen mußte.

Auch im 1. Drittel des 19. Jahrhunderts war die Pfarrei Wil­gartswiesen noch sehr groß. Als der Filialort Rinnthal im Jahre 1836 zur selbständigen Pfarrei erhoben wurde, verkleinerte sich der Pfarrbezirk. Im Schematismus vom Jahre 1853 steht, daß die Pfarrei Wilgartswiesen eine Gesamt-Seelenzahl vom 1395 habe, und daß 265 Katholiken und 11 Mennoniten im Pfarrbezirk wohnten. Zur Pfarrei gehörte damals der Filialort Spirkelbach mit 434 Seelen und der Parochialort Hofstätten mit 119 Seelen. Der Weiler Hermersbergerhof blieb als Parochialort unerwähnt. Er gehörte unmittelbar zur Kirchengemeinde Wilgartswiesen.

Die Dorfkirche in Wilgartswiesen, die entweder im Jahre 1514 neu gebaut oder umgebaut worden war, erfüllte zu der Zeit, als Pfarrer Friedrich Andreas Ullmann (1830-1858) in Wilgartswiesen tätig war, nicht mehr ihren Zweck. Sie war nicht nur zu klein, sondern auch so schadhaft, daß ein Umbau nicht mehr möglich war. Am 19. Mai 1839 fand in ihr der letzte Gottesdienst statt. Anschließend wurde sie abgerissen und durch einen Neubau nach den Plänen des „Civil-Bauinspektors“ in Speyer, August von Voit, im neoromanischen Stil ersetzt. Bei dieser in der Zeit von 1839 bis 1843 erbauten Kirche aus heimischem Buntsandstein weicht Voit, der etliche Gotteshäuser in der Pfalz baute, erstmals von der „Einturmkirche“ ab. Er baut eine Doppelturm­anlage, die auf die Ferne berechnet ist, um schon von weitem den Blick auf Kirche und Ort zu lenken. Der imposanten Fassade mit den beiden Türmen und der großen Rosette entspricht nicht der saalartige Innenraum, dem ein entsprechender Chorraum fehlt. Außerdem verkürzten zwei an der Ost- und Westseite eingebaute Emporen den Innenraum. Zierelemente, wie Zahnfriese und Rundbogenfriese lockern die Fassade auf. Die politische Gemeinde Wilgartswiesen, die alleiniger Bauträger der Kirche war, mußte in einer finanziell schwierigen Zeit diesen Kirchbau finanzieren. Allerdings trugen auch die aufwendigen Außen­anlagen mit hohen Stützmauern und einem Treppenaufgang zur erheblichen Kostensteigerung bei. Dies war wohl mit ein Grund, daß man eine Bauzeit von vier Jahren benötigte. Die Gemeinde Wilgartswiesen mußte sogar Grundstücke verkaufen, um den Kirchbau finanzieren zu können.

Vier Kirchenglocken, von denen eine aus dem alten Gotteshaus stammte, konnten schon im Jahre 1841 in die beiden bereits vollendeten Türme gehängt werden. Am 17. September 1843 – dem seitherigen Kirchweihtag – wurde die neue Kirche eingeweiht. Die zur Kircheneinweihung bestellte Orgel wurde von der Firma Voit aus Durlach gebaut, war aber zu spät geliefert worden. Sie wurde auf der westlichen Empore – hoch über Altar und Kanzel – aufgestellt. Das große Orgelwerk umfaßte 30 klingende Register, die auf Oberwerk, Hauptwerk und Pedal verteilt waren. Dieses auch für die damalige Zeit viel zu große Orgelwerk war von Anfang an sehr reparaturanfällig. Die Gesamtkosten für die Kirche betrugen 45577 Gulden oder 78132 Mark. Die Kosten für die Außenmauern, die Treppenaufgänge, die Glocken und die Orgel waren darin enthalten. Diese Summe war für die damalige Zeit sehr hoch und wurde von der politischen Gemeinde Wilgartswiesen allein getragen. Man war stolz auf die neue Kirche, die schöner und größer als alle Kirchen in Nachbargemeinden sein sollte.

In den nachfolgenden Jahrzehnten und nach den Wirren der bürgerlichen Revolution der Jahre 1848/49 fanden hier eine Reihe überörtlicher Feiern statt. In der neuen Dorfkirche beging im Jahre 1858 die Dekanatsgemeinde ihr erstes Gustav-Adolf-Fest. Im Jahre 1861 feierte man hier das erste Missionsfest auf Dekanatsebene. Schon im Jahre 1871 wurde in Wilgartswiesen das nächste Gustav-Adolf-Fest gefeiert. Auch im Jahre 1886 wurde das Fest wieder nach Wilgartswiesen vergeben. Am 5. März 1871 wurde in der Kirche nach dem deutsch-französischen Krieg ein Friedens- und Dankfest begangen.

Die im Jahre 1844 erbaute, viel zu große Orgel entsprach von Anfang an nicht den Erwartungen, die man in dieses Instrument gesetzt hatte. Aufwendige Reparaturen waren in immer kürzer folgenden Abständen aufgetreten. Im Jahre 1890 war die Voit-Orgel so schadhaft, daß man sich zu einem Neubau entschloß. Er wurde von der Firma Walker in Ludwigsburg ausgeführt. Die neue Orgel hatte 20 klingende Register und wurde in das Gehäuse der alte Voit-Orgel eingebaut. Sie wurde im Jahre 1895 der Gemeinde übergeben und in einem Festgottesdienst eingeweiht.

Zu den hohen kirchlichen Feiertagen zählte auch im 19. Jahrhundert das Fest der Konfirmation. Es fand traditionsgemäß am Sonntag Palmarum vor Beginn der Karwoche statt. Die angehenden Konfirmanden hatten ein Jahr lang den Konfirmanden­unterricht besucht. Dort wurden sie in die Grundlagen des Glaubens eingewiesen. In diesem Vorbereitungsunterricht spielten die Fragen des Katechismus eine Hauptrolle. Die wichtigsten Glaubensstücke mußten auswendig gelernt werden. Außerdem galt es Liedverse aus dem Gesangbuch und Bibelworte zu lernen. Nur wer regelmäßig den Konfirmandenunterricht besucht und das aufgegebene Pensum erfüllt hatte, wurde zur Konfirmation zugelassen.

Am Konfirmationstag selbst versammelten sich die Kirchen­ältesten und die Konfirmanden vor dem Pfarrhaus. Zuvor war von den Kindern der Kirchenraum festlich geschmückt worden. Im Schulhaus oder auch in einer Scheune hatten die angehenden Konfirmanden mit Tannengrün einen langen Kranz geflochten, der um das Kirchenportal gehängt wurde.

Vom Pfarrhaus aus zog der Festzug zur Kirche: voraus der Pfarrer, dann die Kirchenältesten in Frack und Zylinder und dann die Konfirmandinnen und Konfirmanden in ihren neuen Kleidern und Anzügen. Bei Orgelspiel zog man in die Kirche ein. Die versammelte Gemeinde erhob sich und dann begann der Festgottesdienst.

Von Pfarrer Hermann Dahl stammt folgendes „Confirmations­programm“ aus dem Jahre 1899:

  1. Lied 147, Verse 1+2
  2. Gebet und Lektion
  3. Gesang: Wenn ich ihn nur habe
  4. Ansprache und Prüfung
  5. Gesang: Harre meine Seele
  6. Bekenntnis und Verpflichtung
  7. Gemeindegesang: Lied 192, Str. 6
  8. Einsegnung
  9. Gebet
  10. Schlußgesang: Lied 223, Str. 1

Auffallend ist, daß innerhalb des Konfirmationsgottesdienstes keine Abendmahlfeier stattfand. Ansonsten weicht dieses alte „Confirmationsprogramm“ nur wenig von heutigen Konfirmations­feiern ab. Damals gingen die Konfirmanden mit ihren Angehörigen und Paten erstmals am Karfreitag zum Abendmahl. Am späten Nachmittag des Palmsonntags fand noch ein Dankgottesdienst statt, an dem die Konfirmanden teilnehmen mußten.

Kirche und Friedhof lagen zumindest seit dem 16. Jahrhundert in unmittelbarer Nachbarschaft. Das Friedhofsgelände reichte bis unmittelbar an die Südseite der Kirche. Der Friedhof selbst war im Jahre 1822 erweitert und neu angelegt worden. Durch den Kirchenneubau in der Zeit von 1839 bis 1843 wurde der Friedhof nicht verändert. Dies änderte sich jedoch durch den Bau der Bahnlinie Landau-Zweibrücken in der Zeit von 1872 bis 1875. Die Strecke führte im Süden unmittelbar am Dorf vorbei und trennte nunmehr den Friedhof von der Kirche. Der kleine, nördlich der Bahnlinie gelegene Teil des Kirchhofes wurde offengelassen. Als man nach dem 2. Weltkrieg ein Stromkabel zur Kirche verlegte, fand man unmittelbar neben der Kirche Knochenreste von Verstorbenen, die einmal hier beigesetzt worden waren. Durch eine Unterführung der Bahnlinie blieb der Zugang zum Friedhof erhalten.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert und im beginnenden 20. Jahr­hundert erhielt die Pfarrei Wilgartswiesen ihren heutigen Zuschnitt. Die Filialgemeinde Rinnthal war schon im Jahre 1836 aus der Pfarrei ausgeschieden und zur selbständigen Pfarrei erhoben worden. Im Jahre 1895 wurde der bisherige Parochialort Hofstätten der Pfarrei Rinnthal zugeordnet. Schon im Jahre 1860 wurden die Protestanten der entfernten Annexen Speyerbrunn, Schwarzbach, Erlenbach, Mosisbruch und Geißkopferhof umge­pfarrt. Für sie war nun die prot. Pfarrei Elmstein zuständig. Die wenigen Protestanten, die vor dem 1. Weltkrieg in Hauen­stein lebten, waren bisher vom Pfarrvikariat Dahn versorgt worden. Im Jahre 1910 wurden die Hauensteiner Protestanten nach Wilgartswiesen umgepfarrt. Erst nach dem 2. Weltkrieg, als dort durch zugezogene Heimatvertriebene über 200 Protestanten lebten, erhielt Hauenstein im Jahre 1962 eine eigene evangelische Kirche, die aus Mitteln des Gustav-Adolf-Werkes und der Landeskirche finanziert wurde. Die so entstandene Kirchengemeinde Hauenstein wurde 1965 selbständig, blieb aber bis heute Bestandteil der Pfarrei Wilgartswiesen. Der Kirchenbezirk der Pfarrei Wilgartswiesen blieb bis heute in dieser Form erhalten.

6 Die Kirchengemeinde Wilgartswiesen im beginnenden 20. Jahrhundert – Der große Kirchenbrand

Als man in der Neujahrsnacht des Jahres 1900 mit Glockengeläut und Böllerschüssen das neue Jahrhundert begrüßte, ahnte wohl niemand, welch schwere Zeit für die Kirchengemeinde und ihre Gemeindeglieder anbrechen würde. Im Sommer des Jahres 1914 waren die wehrfähigen Männer des Dorfes zu den Waffen gerufen worden. Der 1. Weltkrieg war ausgebrochen und sollte bis zu seinem Ende im November 1918 viel Trauer und Not über das Walddorf bringen. Auch in den Kriegsjahren läuteten die Glocken zu den sonntäglichen Gottesdiensten. Im Kriegsjahr 1917 mußten drei der vier Glocken auf Anordnung des Staates von den beiden Türmen genommen werden. Die drei Bronzeglocken wurden ab­transportiert und zur Herstellung von Kriegsmaterial einge­schmolzen. Nun läutete nur noch die große Glocke zu Gottes­diensten, Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen.

Nach Kriegsende kehrten nach und nach die Männer aus dem Krieg und aus der Gefangenschaft zurück. 20 Männer waren gefallen, 4 Soldaten galten als vermißt. Ihrer gedachte man bei einem Trauergottesdienst in der Dorfkirche. Bald darauf sollte ein schwerwiegendes Ereignis die Kirchengemeinde und das gesamte Dorf erschüttern. In der Nacht vom 10. auf dem 11. Januar 1920 stand die noch nicht einmal 70 Jahre alte Kirche in hellen Flammen. Was war geschehen? Unter der Westempore, vor der der Altar stand, versorgte ein großer Ofen, der mit Holzscheiten befeuert wurde, das gesamte, hohe Kirchenschiff mit Warmluft. Eine Holzbalkendecke schloß nach oben den Heizraum und die Sakristei ab. Auf dieser Decke stand die große Walker-Orgel, deren Gehäuse und Holzpfeifen fast bis zur Kirchendecke reichten. Als der große Holzofen durch Überhitzung explodierte, fraßen sich die Flammen durch die Holzbalkendecke und fanden im Gehäuse und in den Holzpfeifen der Orgel reiche Nahrung. Bald stand der westliche Dachstuhl in Flammen. Ein scharfer Westwind begünstigte die Feuersbrunst. Er trieb die Flammen über das Gebälk des Kirchenschiffes und in die beiden Turmhelme auf der Ostseite der Kirche. Die verbliebene große Glocke schmolz im Glockenstuhl. Nach dem Brand lag ein großer Bronzeklumpen auf dem Boden des Turmes. Die Freiwillige Feuerwehr Wilgartswiesen hatte keine Möglichkeiten, den Brand an der höchsten Stelle des Dorfes einzudämmen.

In der Schrift „Die Einweihung der neuerstandenen prot. Kirche in Wilgartswiesen“ schreibt Pfarrer August Friedrich Munzinger folgendes:
„Aber noch war die Glut kaum verloschen, so beschloß die Ortsvertretung einstimmig, die Kirche sogleich auf Gemeinde­kosten wieder aufzubauen. So ging es rüstig ans Werk. Die Leitung der Ausführung der Wiederherstellungsarbeiten lag in den Händen des Architekten Latteyer aus Ludwigshafen. Die Kirche erhielt nach außen hin eine schönere und verbesserte Gestaltung und das Innere wurde in seiner Formgebung zu einem stimmungs- und weihevollen Raum umgewandelt. Alle Künstler, Meister und Werkleute bemühten sich, ihre Aufgabe mustergültig zu lösen.

Nach der Wiederherstellung der beiden Türme konnten bereits am 31. Januar 1921 die Weihe der vier neuen, von der Firma A. Hamm und Sohn in Frankenthal gegossenen Glocken, durch den Ortspfarrer vollzogen werden. Sie wurden auf hübsch ge­schmückten Wagen unter Beteiligung der gesamten Bevölkerung und unter Vorantritt der hiesigen Musikkapelle vom Bahnhof in feierlichem Zuge auf den freien Platz hinter der Kirche gebracht und dort geweiht. Gutgeschulte Lieder aus jugendlichen Kehlen und stimmungsvoller Gemeindegesang verschönten die einfache, aber gewiß allen Teilnehmern unvergeßliche Feier. Das Gesamtgewicht der Glocken beträgt 40 Zentner. Die Inschriften lauten:
„Mich goß A. Hamm in Frankenthal mit 3 Geschwistern zur Zierde der im Jahre 1841 erbauten, am 11. Januar 1920 niedergebrannten prot. Kirche der Gemeinde Wilgartswiesen unter seinem Bürger­meister Friedrich Becker und Jakob Reinhard“ (Inschrift der großen Glocke)
„In schwerer Zeit ward ich erneut. Aus tiefer Not hilf uns, Herr Gott“ (2. Glocke).
„Wachet, stehet im Glauben“ (3. Glocke).
„Ehre sei Gott in der Höhe“ (4. Glocke).

Pfarrer Munziger fährt in seinem Bericht weiter:
„Die von der Firma Steinmeyer in Oettingen gebaute neue Orgel besitzt 21 Register und elektrisches Gebläse. Sie wurde durch Prof. Allbrecht, Kaiserslautern, geprüft und als ein vor­zügliches Werk bezeichnet. Die Orgel kostete 97000 Mark.

Die Gesamtkosten für die Wiederherstellung der Kirche beliefen sich auf 2 Millionen Mark und wurden von der Ortsgemeindekasse bestritten. Zuschüsse leisteten die prot. Landeskirchenkasse der Pfalz und das bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus dem Fond zur Förderung der Kunst von 1000 Mark und 35000 Mark. Mit freudigem Dank wurde eine Gabe von 6000 Mark in Empfang genommen, gestiftet von den Brüdern Gottfried und Karl Monninger und Frau Luise Schumacher in Indianapolis (USA) zur künstlerischen Ausschmückung der Kirche“.

Am Sonntag, den 2. April 1922, wurde die wiederaufgebaut Kirche feierlich eingeweiht. Ein wohlgeordneter Festzug ging von der Schule zur Kirche. Dort hielt Oberkirchenrat D. Trost, Speyer, die Einweihungsrede. Ortspfarrer August Friedrich Munzinger hielt die Festpredigt. Das neue Gotteshaus war bis auf den letzten Platz besetzt.

Zum Abschluß der Einweihungsfeierlichkeiten fand im Herbst 1923, als die Inflation ihrem Höhepunkt zustrebte, ein Kirchenkonzert statt, das von Künstlern aus Annweiler mitge­staltet wurde. Über das Programm selbst und die sonstigen Mitwirkenden wissen wir nichts. Der damalige „Landauer Anzeiger“ nennt aber in einer kleinen Notiz die Einnahmen, die aus diesem Konzert erlöst wurden:
48 Millionen Reichsmark, 2 1/2 Franken, 55 Körbe Kartoffeln, 14 Eier, 1 Pfund Butter und 1 Liter Öl. Diese Spenden flossen dem Diakonissenhaus in Speyer zu.
Diese Notiz zeigt auch, in welcher Notzeit man sich damals befand. Sie ist nur mit den Hungerjahren nach dem 2. Weltkrieg vergleichbar.

In diesen Jahren nach dem 1. Weltkrieg hatte sich auch ein wichtiges Ereignis vollzogen, das weit über die örtliche Kirchengemeinde hinausging. Die im Jahre 1818 gegründete Kirche der Union war bis zu Ende der Herrschaft des Hauses Wittelsbach in Bayern im Jahre 1918 Staatskirche gewesen. Im Konsistorium der Kirche in Speyer saß ein bayerischer Regierungsvertreter, der beharrlich darüber wachte, daß liberale und freiheitliche Bestrebungen innerhalb der Kirche keinen Platz fanden. Dies war besonders während und nach der bürgerlichen Revolution der Jahre 1848/49 deutlich spürbar geworden. Pfarrer, die damals revolutionären Ideen zuneigten, waren in ernsthafte Schwierig­keiten gekommen.

Nach dem 1. Weltkrieg löste sich die pfälzische Kirche aus der staatlichen Umklammerung und Einflußnahme. Die „vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche)“ gab sich im Jahre 1920 eine neue Verfassung mit demokratischen Grundregeln und einem ent­sprechenden Aufbau. Presbyterium, Bezirkssynode auf Dekanats­ebene und Landessynode auf Kirchenebene wurden zu wichtigen Entscheidungsgremien innerhalb der Kirche. Eine Neuordnung der Dekanatsbezirke fand jedoch nicht statt. Die Pfarrei Wilgarts­wiesen blieb mit ihren Kirchengemeinden beim Dekanat Berg­zabern. Die Synodalen aus dem Queichtal hatten es schwer, zu den jährlich stattfindenden Tagungen der Bezirkssynode zu kommen, auch wenn man den Tagungsort wechselte.

Während der nationalsozialistischen Aera von 1933 bis 1945 blieb die örtliche Kirchengemeinde von Bedrückungen und Einflußnahme weitgehend verschont. Die „deutschen Christen“, die sich in dieser Zeit innerhalb der Kirche einseitig zur Führerpartei bekannten, hatten zwar großen Einfluß, blieben aber in Wilgartswiesen ohne Bedeutung. Nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges im Sommer 1939 hatte man ohnehin andere Sorgen. Wieder waren die Männer des Dorfes zur Wehrmacht und zum Reichsarbeitsdienst gerufen worden. Auch Frauen mußten Kriegsdienst leisten. So blieb die Kirche in dieser schweren Zeit eine Stätte der Besinnung und des Gedenkens, wenn mehr und mehr Todesnachrichten von gefallenen Soldaten eintrafen. Die Kriegsjahre 1944/45 waren von Kriegshandlungen gekennzeichnet, die das Dorf und die Kirche in Mitleidenschaft zogen. Immer wieder war die Bahnlinie das Ziel von Bombenangriffen. Dabei wurde auch die Dorfkirche beschädigt. Sogar die regelmäßigen Sonntagsgottesdienste waren bei „wolkenlosem Fliegerwetter“ nicht mehr möglich. Erst der Einmarsch der amerikanischen Panzertruppen im März 1945 beendete die schlimme Kriegszeit.

7 Die Kirchengemeinde Wilgartswiesen nach dem 2. Weltkrieg

Schon kurz nach dem Kriegsende wurden die gröbsten Schäden an der Kirche notdürftig beseitigt. Die ehemals schöne Rosette und eine Reihe von Kirchenfenstern mußten notverglast werden. Auch das Kirchendach und die Turmhelme waren schadhaft und mußten ausgebessert werden. Noch viele Jahre sah man an der Ostfassade der Kirche die Spuren des Krieges.

Von den 4 Glocken, die im Jahre 1921 von der politischen Ge­meinde angeschafft worden waren, überlebte nur eine den 2. Weltkrieg. Drei Glocken waren im Kriegsjahr 1942 von den Türmen geholt und eingeschmolzen worden. Die Gemeinde Wil­gartswiesen hatte schon im Jahre 1949 die Glockengießerei Schilling in Heidelberg beauftragt, fünf neue Kirchenglocken zu gießen. Im Jahre 1950 wurden die fünf neuen Bronzeglocken auf festlich geschmückten Wagen am Bahnhof abgeholt und zur Kirche gebracht. Oberkirchenrat Dr. Theodor Schaller, der zwischen den Weltkriegen Pfarrer in Wilgartswiesen war und später Kirchen­präsident wurde, und Ortspfarrer Heinrich Klein nahmen in einem Festgottesdienst die Glockenweihe vor. Dieses Geläut zählt heute noch zu den schönsten im Bereich unserer Landeskirche und war schon oft im Rundfunk zu hören.

Der Glockensachverständige der Evang. Kirche der Pfalz, Pfarrer Volker Müller, beschreibt die neuen Glocken wie folgt:
Die neuen Glocken, gegossen von Meister Friedrich-Wilhelm Schilling, Heidelberg, in leichter Rippe, sind wie früher auf den Nord- und Südturm verteilt

Glocke12345
Schlagtones‘ges‘as‘b‘des‘
Durchm. [mm]12601025908808672
Gewicht [kg]1100660450310180
NameOsternKarfreitagPfingstenHimmelfahrtWeihnachten

Die Glocken 2 bis 4 hängen im Südturm, die Glocken 1 und 5 im Nordturm. Eingeholt wurden die Glocken am 3. Advent, 17. Dezember 1950, die feierliche Weihe (Indienststellung) mit erstem Läuten war im Gottesdienst des Heiligen Abends 1950.
Alle Glocken tragen um die Schulter zwischen Zierstäben und Inschriften Worte der Heiligen Schrift, welche Bezug nehmen auf die Namen der Glocken, die an die fünf großen Kirchenfeste erinnern:

    Glocke 1 (es’/ Ostern)
    JESUS CHRISTUS HAT DEM TODE DIE MACHT GENOMMEN UND LEBEN UND UNVERGÄNGLICHES WESEN ANS LICHT GEBRACHT
    und auf der Vorderseite des Schlagrings steht:
    ICH RUFE ZUM GEDÄCHTNIS DER GEFALLENEN UND DER TOTEN

    Glocke 2 (ges’/ Karfreitag)
    GOTT WAR IN CHRISTUS UND VERSÖHNTE DIE WELT MIT IHM SELBER

    Glocke 3 (as’/ Pfingsten)
    GOTT HAT EUCH NICHT GEGEBEN DEN GEIST DER FURCHT SONDERN DER KRAFT UND DER LIEBE UND DER ZUCHT

    Glocke 4 (b’/ Himmelfahrt)
    GOTT HAT JESUS CHRISTUS ERHÖHT UND HAT IHM EINEN NAMEN GEGEBEN DER ÜBER ALLE NAMEN IST

    Glocke 5 (des’/ Weihnacht)
    ALSO HAT GOTT DIE WELT GELIEBT DASS ER SEINEN EINGEBORENEN SOHN GAB

    Jede der fünf Glocken trägt in zarten, große Reliefbuchstaben auf der Vorderseite der Flanke ihren Namen: Ostern, Karfreitag, Pfingsten, Himmelfahrt und die kleinste Weihnacht.
    Auf der Schlagring-Rückseite tragen alle Glocken folgenden Gießer- und Eigentumsvermerk:
    IM JAHRE DES HERRN 1950 GOSS MICH MEISTER F. W. SCHILLING FUER DIE PROT. KIRCHE IN WILGARTSWIESEN.

    Das über 200 Jahre alte Pfarrhaus, das Generationen von Pfarrern Obdach bot, war nach dem Ende des Krieges nicht im besten Zustand. Es lag zudem an der verkehrsreichen Hauptstraße (Bundesstraße 10) und war immer mehr dem zunehmenden Verkehrs­lärm ausgesetzt. Pfarrer Heinrich Klein und die Presbyterien aus Wilgartswiesen und Spirkelbach betrieben den Neubau eines Pfarrhauses. Schließlich konnten die politischen Gemeinden Wilgartswiesen und Spirkelbach dazu gewonnen werden. Sie beteiligten sich durch erhebliche Zuschüsse an den Gesamt­kosten. Außerdem wurde das alte Pfarrhaus im Jahre 1957 der politischen Gemeinde Wilgartswiesen übereignet. Architekt Brämer aus Schopp fertigte die Pläne und übernahm die Bauleitung für das neue Pfarrhaus, das in der Rauhbergstraße, unweit der Kirche, errichtet wurde. Am 28. September 1958 wurde es eingeweiht und von der Familie Klein bezogen.

    Die Krankenstation der evangelischen Diakonissenschwestern war schon vor dem 1. Weltkrieg eingerichtet worden und hatte im alten Pfarrhaus eine Bleibe gefunden. Nach dem 2. Weltkrieg versah hier die Diakonisse Elisabeth Christmann ihren Dienst, der von vielen Gemeindeangehörigen sehr geschätzt wurde, nachdem damals noch viele Kranke zu Hause gepflegt wurden. Nach der Veräußerung des alten Pfarrhauses mußte die Diakonissen­station verlegt werden. Schwester Elisabeth konnte schließlich in das Obergeschoß des Kindergartens umziehen und blieb dort bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Alter von 75 Jahren. Nach ihrem Weggang wurde die Diakonissenstation aufge­löst, nachdem das Mutterhaus in Speyer keine neue Schwester nach Wilgartswiesen senden konnte.

    Eine weitere Veränderung, die nicht nur die Pfarrei Wilgarts­wiesen allein betraf, trat im Jahre 1953 ein. Seit dem Jahre 1818 gehörten die Kirchengemeinden im Queichtal, also Albersweiler, Queichhambach, Annweiler, Rinnthal und Wilgarts­wiesen (mit Spirkelbach und Hauenstein) zum Dekanat Bergzabern. Weite Wege zum Dekanatshauptort und zu den Tagungsorten der Bezirkssynode waren die Folge. Die Queichtalgemeinden begrüßten den Beschluß der Landessynode, diese Gemeinden dem Dekanat Landau zuzuordnen. Seit dieser Zeit gehört die Pfarrei Wilgartswiesen zum Dekanat Landau. Vor einigen Jahren wurde auch das Rechnungswesen der Pfarrei dem Rechnungsamt des Dekanates übertragen.

    In den Jahren 1961/62 wurde die Ortskirche einer gründlichen Innenrenovierung mit Umbaumaßnahmen unterzogen. Bei dem Wiederaufbau der ausgebrannten Kirche in den Jahren 1921/22 hatte man die beiden Emporen in der Kirche belassen, obwohl die Orgel jetzt auf der Ostempore Platz gefunden hatte und die Westempore überflüssig geworden war. Nach Absprache mit den Bausachverständigen der Landeskirche entschloß man sich zum Abriß der Westempore. Gleichzeitig wurde die Warmluftheizung durch eine elektrische Heizung ersetzt. Mit dieser Empore wurde auch die Kanzelniesche, die mit schwarzen Ähren ausgemalt war, abgerissen. An der Westseite des Kirchenschiffes entstand ein Altarraum mit drei durchgehenden Treppenstufen und einem Bodenbelag aus Marmor. Die hintere Westtür wurde zugemauert und innen verputzt. Der Altar stand nun erhöht auf dem Altarraum. Das Geländer, das bisher den Altar umgeben hatte, wurde entfernt. Die Kanzel wurde seitlich neben den Altar gestellt. An die Wand hinter dem Altar wurde eine große Christusfigur aus Eichenholz gehängt, welche die Landauer Künstlerin Margot Stempel-Lebert geschaffen hatte. Sie gestaltete auch die neue, farbenprächtige Rosette über der Ostempore, die seit dem Ende des 2. Weltkrieges nur notverglast war.

    Die nach dem Kirchenbrand eingebaute Steinmeyer-Orgel, die von Prof. Allbrecht aus Kaiserslautern als ein vorzügliches Instrument bezeichnet worden war, lag zum Zeitpunkt des Kirchenumbaues in ihren letzten Zügen. Sie hatte eine pneumatische Traktur mit elektrischem Gebläse. Die in den Kegelladen eingebauten Ledermembrane waren brüchig geworden. Dadurch fehlte der entsprechende Luftdurck, um die Pfeifen­ventile zu öffnen. Nach und nach waren immer mehr Pfeifen ausgefallen. Auch die Metallpfeifen, die in der Notzeit nach dem 1. Weltkrieg nur aus Zink gefertigt werden konnten, minderten wesentlich den Gesamtklang des Instrumentes. Nach Rücksprache mit dem Orgelbausachverständigen, Landeskirchen­musikdirektor Adolf Graf, entschloß sich das Presbyterium zum Orgelneubau. Die Disposition der zweimanualigen Orgel entwarfen Kantor Heinz Umlauff, Kaiserslautern, und der örtliche Kirchenmusiker, Karl-Heinz Albrecht. Die Orgelbaufirma Ober­linger aus Windesheim bei Bad Kreuznach fertigte die neue Orgel. Sie besitzt ein elektrisches Gebläse, mechanisch Schleifladen und Metallpfeifen mit hohen Zinnlegierungen. Die Holzpfeifenregister der alten Orgel wurden in die neue Orgel eingebaut. So entstand ein klangschönes Instrument mit 16 Registern und einem Orgelgehäuse aus Lärchenholz. Die Orgelpfeifen stehen heute in einem geschlossenen Gehäuse, nachdem das Instrument vor Jahren wegen zahlloser Fliegen, die im Herbst von der großen Rosette in die Orgelpfeifen gefallen waren, gereinigt werden mußte.

    In der alten Kirche beherrschen seit dem Jahre 1922 zwei große Gemälde, die an den beiden Längsseiten des Kirchenschiffes prangten, den Raum. Ein Abendmahlbild war in roten Farbtönen gehalten. Das andere Gemälde war den Kriegstoten gewidmet und zeigte den Einzug der Gralsritter nach Walhall. Besonders das zweite Gemälde wirkte schon immer als Fremdkörper. Außerdem war man nach den bitteren Erfahrungen des 2. Weltkrieges von Heldentod und Heldenverehrung, was in diesem Gemälde zum Ausdruck kam, weit entfernt. Beide Wandmalereien wurden im Zuge der Kirchenrenovierung übertüncht.

    In den Jahren 1986/87 fand nach langen Verhandlungen zwischen Pfarrer Klaus Munzinger und dem Presbyterium auf der einen Seite und dem Ortsbürgermeister und dem Ortsgemeinderat auf der anderen Seite eine gründliche Außenrenovierung der Kirche statt. Die Beschieferung des Kirchendachs und der beiden Turmhelme mußten dringend erneuert werden. Die Nägel, die im Jahre 1922 bei der Schieferneindeckung der Kirche verwendet wurden, waren zum großen Teil abgerostet. Abfallende Schiefer gefährdeten die Kirchenbesucher. Die Beschieferung des Kirchendaches und der Türme wurde gründlich erneuert. An­schließend wurden alle Sandsteine der Kirche gereinigt und die Kriegsspuren an der Ostfassade beseitigt. Hohe Kosten verur­sachte der Neubau des Treppenaufganges von der Bahnhof­straße bis zum Kirchenportal, nachdem die alten Sandsteinstufen durch Bodenabsenkungen nicht mehr begehbar waren. Der hohe finanzielle Aufwand, der mit diesen Arbeiten verbunden war, ließ auch die Frage der Bauträgerschaft neu aufleben. Nach erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Landeskirche und der Ortsgemeinde, gewährte diese einen großen Zuschuß, mit dem sie sich gleichzeitig von der Baulast befreite.

    8 Kirchengemeinde und Pfarrei heute – Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts

    von Pfarrer Roland Simantzik

    Die Pfarrei zählt heute etwa 1750 Kirchenmitglieder. Die Zunahme geschieht überwiegend durch Zuzüge, in den letzten Jahren vor allem durch Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion. Hauenstein liegt zahlenmäßig knapp vor Spirkelbach. Wilgarts­wiesen mit Hermersbergerhof hat weniger als 45 % der Mitglieder. Die Zahl von etwa 950 Haushalten mit mindestens einer evangelischen Person weist deutlich auf die gesamtge­sellschaftliche Entwicklung zum Kleinsthaushalt hin. Wie oft muß man zu drei Häusern gehen, um wenigstens zwei einzelne Menschen besuchen zu können. Ein-Personen-Haushalte gibt es auch bei uns im dörflichen Bereich schon viele. Und es gibt Kranke, Getrennte oder geschiedene Ehen und Familien. Und so viele, die das für normal, für unabwendbar halten. Da ist der Dienst an den Menschen wichtiger denn je. Aber es ist zugleich auch schwieriger. Für viele Bereiche fehlen noch die entsprechenden Mitarbeiter, die in persönlicher Beziehung zu Jesus zum Dienst am Nächsten bereit sind. Kindergottesdienst (S), Kinderstunde (W) und Kinderbetreuung während der Predigt (H) sind wichtige Schritte. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Schule und kirchlichem Unterricht ist oft schwierig, aber auch lohnend. Weitere Angebote gibt es neben den Gottesdiensten derzeit als Singkreis (H), Hauskreis (W), Gebetskreis (W) und als Bibelkreise (H, S, W). Die Zahl derer, die diese Angebote für sich nutzen, ist klein. Die offizielle Volkskirche bei uns ist weithin volkslose Kirche. Aber „Kirche“ ist doch auch begehrt – wegen einer schönen Fassade, als akustisch wertvoller Raum und als dekorativer Rahmen für Feste. Aber weder ist Gott „ein Gott der Toten“, sagt Jesus, noch erschöpft sich die Daseinsberechtigung der Kirche in Gebäuden und der Ausgestaltung von ein paar schönen Stunden. Weil Gott will, daß unser Leben gelingt, muß die Kirche Jesu alltags­tauglich sein. Kirche gleichsam für den Hausgebrauch, wo Jesus mein häusliches Leben gestaltet. Bedeutsamer, als die Zahl der Austritte zu zählen ist es deshalb, den Blick auf die Schar derer zu richten, die im Sinne Jesu noch nie „eingetreten“ sind, die das Lebensangebot Gottes für sich persönlich noch nicht entdeckt und angenommen haben.

    „Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts“ – das heißt für manche, „Kirche ist am Ende“. An vielen Stellen ist das Sterben der Volkskirche zu sehen. Auch bei uns. Aufgabe ist es nun aber nicht, „den Untergang zu verwalten“, sondern „den Übergang zu gestalten“. Kirche muß sich wandeln. Wie gewinnen wir Menschen dazu? Diejenigen, die von Jesus gewonnen sind, müssen wie Jesus und mit Jesus zu denjenigen gehen, die noch nicht gewonnen sind. Immer noch erstaunt es Gemeindemitglieder, wenn sie z. B. merken, daß wir nicht nur Alte zum Geburtstag besuchen, sondern auch 40- und 50jährige. Bescheidene Anfänge! Kirche ist Kirche Jesu. Und weil der noch nicht am Ende ist, sondern gerade am Ende wieder groß herauskommt, gilt gewiß: Als Kirche Jesu hat auch unsere Kirche noch Zukunft – Seine große Zukunft.